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Knack…!

Einfache Sprache

Der Text heißt: Knack…!

Die Autorin heißt: Dornika

Hier könnt ihr den Originaltext von der Autorin Dornika in Standardsprache lesen.

Das ist der vereinfachte Text. 

 

Knack

Knack macht es in meinem Mund. 

Ich beiße auf eine dünne Schicht gefrorener Sahne, die nach Pistazien und anderen orientalischen Gewürzen schmeckt.

 Zwei fiktive Gesichter mit Schminke und pinkem Haar sind oben rechts und unten links auf dem Bild zu sehen. Die obige Person kneift die Augen zusammen und streckt eine lange Zunge hinaus. Die untere Person hat den Mund geöffnet und schaut nach oben. Im Hintergrund sind iranische Süßigkeiten.

Ich hatte schon Angst, dass ich alle Sahnestücke aufgegessen habe.
Ich freue mich darüber. Wie ein Fischer sich über ein Netz voller Fische freut.

Ich rede von persischem Eis, das es in einem iranischen Laden in Berlin gibt. Wie bei jedem anderen persischen Essen ist es unmöglich aufzuhören, bis nichts mehr da ist. 

Ich bin in den Iran zurück gegangen nachdem ich meine Kindheit in Kalifornien verbracht habe. Meine Mutter war alleinerziehend und oft erschöpft. Obwohl meine Mutter nicht mehr in ihre Heimatstadt zurück wollte, wartete sie ungeduldig auf die Genehmigung, damit wir wieder in den Iran zurück konnten.

Ich hatte gerade angefangen mich in Kalifornien wohl zu fühlen. Dann musste ich wieder alles zurück lassen.
Als ich in Kalifornien begann in die Schule zu gehen sprach ich kein Wort Englisch. Ich bekam viele Stunden Nachhilfe um die englische Aussprache zu lernen.

Nun musste ich alles von neuem lernen. In einer Muttersprache, die ich verlernen musste, um eine andere Sprache zu lernen. 

Mein Persisch war nicht so schlecht. Zumindest erinnerte ich mich noch daran, wie man es sprach. Wenn meine Mutter Englisch sprach war mir das peinlich. Sie hatte einen starken Akzent und es war mit unangenehm. Vielleicht waren meine Ohren einfach sehr empfindlich.

In die Stadt Tehran zurückzukehren, war wie in einem Traum aufzuwachen. Ich erkannte die Stadt zwar wieder und ich verband mit Tehran viele unterschiedliche Erinnerungen und Gefühle.
Der Duft der Kirschtomaten in unserem Garten und meine Cousinen und Cousins, die damals nicht mit mir spielen wollten. Aber ich wurde auch sehr traurig, als ich an meinen Vater dachte. Diese ganzen Gedanken nahm ich mit nach Tehran.

Das erste, was wir zuhause aßen war ein persisches Gericht mit weißem Reis und mit gekochtem Huhn. Das Fleisch war saftig und mild gewürzt. Es ist ein sehr einfaches Gericht: Ein Huhn kommt in einem Topf voll Wasser. Dann kommen Salz, Pfeffer, persische Gewürze, Zwiebeln und Knoblauch dazu. 

Es war ein Essen, das ich niemals vergessen werde. Alles was ich davor gegessen hatte, kam mir plötzlich geschmacklos vor. So stark beeindruckte mich der Geschmack dieses persischen Gerichtes.

Die Stadt Tehran war für mich ein seltsamer Ort. Ich fühlte mich wie eine Fremde in der eigenen Heimat.
Ich war zwar Iranerin, aber nicht so wie die anderen iranischen Frauen. Ich benahm mich anders: Ich war zu offen und zu ehrlich.
Die iranische Erziehung hat ihre eigenen Regeln. Als Frau durfte man zum Beispiel nicht über romantische Beziehungen oder Sexualität sprechen. Als Mädchen oder Frau musste man sich in der Stadt Tehran an viele Regeln halten. 

 Auf dem Bild ist eine fiktive Person mit großen Wimpern, goldenen Kopfschmuck, einem bunten Kopftuch, einem Nasenpiercing und einer freizügigen Weste, sie hält ein Geldschein in der Hand. Im Hintergrund verschwimmt eine Fotomontage von persischen Eiskrem. 

Das einzige, was mir ein Gefühl der Zugehörigkeit gab, war das Essen. Es gab nicht viel zu tun in der Stadt außer zu essen. Iranerinnen und Iraner lieben Essen über alles. Auch in meiner Familie war das gemeinsame Essen ein wichtiger Bestandteil der Familie.

Meine Großmutter war ein sehr religiöser Mensch. Sie musste mit dreizehn Jahren heiraten und hatte drei Kinder. Trotzdem reiste sie stolz in viele fremde Länder. Aber auch auf diesen Reisen war ihr Kopf mit einem Tuch verschleiert. Sie hat sogar ein Foto von sich an einem Nacktbadestrand, auf dem sie ihr Tuch trägt. Von ihren Reisen brachte sie immer seltsame Früchte und die Ideen für viele neue Rezepte mit. 

Ich begann mit sieben Jahren zu kochen.
Meine Mutter war keine sehr gute Köchin. Alle sagten immer, ich käme nach meiner Großmutter. Ich kochte sehr gerne im Haus meiner Großmutter. Aber ich kochte nie persische Gerichte. Das war meiner Großmutter vorbehalten. Heute, nachdem ich seit viereinhalb Jahren in Berlin lebe, wünschte ich es wäre anders.

Die deutsche Sprache fiel mir nicht einfach. Ich war sehr aufgeregt, sie in den Monaten vor meiner Flucht aus der Stadt Tehran zu lernen. Ich war sehr froh, dass ich endlich nochmal einen neuen Plan hatte.

Als ich schließlich in Berlin ankam, fielen mir zwei Dinge auf die ich nicht verstand: Die deutsche Kultur und das deutsche Essen.

Meine Geschmacksnerven konnten sich an den Geschmack von deutschem Essen nicht gewöhnen. Es schmeckte für mich einfach nach nichts.

Und das obwohl die Supermärkte in Deutschland wunderschön und die Regale voller Lebensmittel sind. Es gibt hier alles, was es im Iran nicht gibt. Zum Beispiel Avocados oder unzählige französische Käsesorten.

Essen war immer das Wichtigste in meinem Leben. Es ist das, was mir ein Gefühl von Zuhause gibt. Essen ist für mich wie eine Sprache, die ich überall verstehen kann.

Ich habe mich nie wie eine Amerikanerin oder wie eine Iranerin gefühlt, aber in Deutschland musste ich mich immer behaupten. 

Ich bin in dieses Land gekommen, um meine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land zu vergessen. Aber das hat nicht funktioniert. Obwohl ich sehr bemüht war, mir die deutsche Kultur anzueignen.

Seit ich ein Kind war, schäme ich mich für viele Dinge: meine Herkunft, meine Hautfarbe, meinen Körper, meinen Akzent und meinen Namen. Diese Scham verfolgt mich bis heute.

Es war wichtig für mich die Gründe für diese Scham kennenzulernen.

Indem ich versucht habe Dinge wie Fremdenfeindlichkeit, Sexismus oder Hass zu verstehen, konnte ich für mich einen Weg finden.

Und ich esse. Und ich versuche Dinge zu schmecken. An diesem geschmacklosen Ort namens Deutschland, der kein Zuhause für mich ist.

Aber es gibt eine kleine Zuflucht für mich: Das gefrorene persische Eis.

Und die Befriedigung, die sich mit dem letzten KNACK einstellt.