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Knack…!

Einfache Sprache

Deutsche Übersetzung aus dem Englischen

Knack…!

… macht eine dünne Schicht aus gefrorener Sahne, die köstlich zwischen meinen Zähnen zerbricht. Ich hatte schon Angst, alle aufgegessen zu haben, aber meine Zunge schnalzt vor Befriedigung wie ein müder Fischer angesichts eines frischen Fangs. Jaaaa, ich hab eine erwischt! Ich werde belohnt von den subtilen aber deutlichen Aromen von Safran mit einem Hauch von Rose und –, weil keine Geschichte ohne Antagonistin vollständig wäre, – Pistazie.

Das ist persisches Eis, direkt von Bazarche Hafez, dem iranischen Laden neben meinem derzeitigen Zuhause in Alt-Moabit. Wie bei jedem anderen persischen Essen ist es unmöglich aufzuhören, bis nichts mehr da ist. Ich bin in den Iran zurückgekehrt, nachdem ich in meiner Kindheit vier Jahren in Irvine, Kalifornien verbrachte, zusammen mit meiner erschöpften und verzweifelten alleinerziehenden Mutter, die ungeduldig auf ihre Greencard gewartet hatte, nur um dann den ersten Flug zurück in ihre Heimatstadt zu buchen, der sie so dringend hatte entfliehen wollen. Ich hatte mich gerade eingerichtet und begonnen, mich in diesem nicht-mehr-ganz-so-fremden Land zuhause zu fühlen, als ich wieder alles zurücklassen musste. Bei der Einschulung als Sechsjährige sprach ich kein Englisch und verbrachte viele Stunden mit privater Nachhilfe in der Schule, um die Feinheiten der englischen Aussprache zu erlernen. Etwa den Unterschied zwischen dem kurzen ‚i‘ wie in sit und dem langen ‚i‘ wie in seat und ‚e‘ wie in set. Nun musste ich alles von neuem lernen, in einer Sprache, die ich verlernen hatte müssen, um eine andere zu lernen können. Mein Farsi war gar nicht mal so schlecht; zumindest erinnerte ich mich daran, wie man es sprach. Ich wünschte, ich hätte einen besseren Grund dafür, Farsi mit meiner Mutter zu sprechen, als den, dass mir ihr Akzent im Englischen unangenehm war – um nicht zu sagen peinlich. Für sie war alles ein langes ‚i‘, wie in Seet over der. Ihre Zunge hatte sich nicht angepasst. Oder vielleicht waren meine Ohren auch darauf getrimmt, besonders empfindlich zu sein.

Nach Tehran zurückzukehren, war wie in einem Traum aufzuwachen. Es gab da dieses tiefe Gefühl des Wiedererkennens, aber die einzigen echten Erinnerungen, die ich hatte, waren der Duft der Kirschtomaten in unserem Garten, meine Cousins und Cousinen, die nicht mit mir spielen wollten, weil sie mit ihren sechs Jahren zu erwachsen für mich mit meinen vier Jahren waren und die Traurigkeit, die mich beim Gedanken an meinen Vater ergriff. Ich packte sie alle in meinen Koffer, als wir uns auf den Weg zum Flughafen machten. Das erste, was wir zu hause aßen war polo morgh: weißer Reis mit gekochtem Huhn. Das Fleisch war saftig und mild gewürzt. Es ist ein sehr einfaches Gericht: man koche ein Huhn in einem Topf voll Wasser, füge Salz, Pfeffer, Kurkuma, Safran, Zwiebeln und Knoblauch hinzu und lasse das Huhn so lange kochen, bis es fast zerfällt. Es war ein Essen, das ich niemals vergessen werde. Ich hatte das Gefühl, dass alles, was ich je zuvor gegessen hatte, irgendwie fake war. Das Huhn schmeckte tatsächlich nach etwas. Der Reis, der Joghurt, die Einfachheit. Es war umwerfend.

Teheran war für mich ein seltsamer Ort. Ich habe mich der teheranischen Kultur nie voll zugehörig gefühlt: immer war ich die Fremde – diesmal nicht, weil ich Iranerin war, sondern weil ich nicht iranisch genug war. Ich war zu direkt, zu arglos, zu offen und ehrlich. Ich war nicht in der Lage, mich in Einklang mit tarof zu benehmen (einer Form der iranischen Etikette); Ich wusste nicht, dass ich nicht über Beziehungen oder Dinge sprechen sollte, die auch nur im Geringsten mit Romantik oder gar Sex zu tun hatten. Ich war nicht vertraut mit all diesen dummen Regeln, oder der Unterdrückung und Zensur, die man sich auferlegen musste, um in diesem Land zu überleben, vor allem als Mädchen. Das einzige, was mir ein Gefühl der Zugehörigkeit gab, war das Essen. Es gab nicht viel zu tun in der Stadt außer essen. Iraner*innen lieben Essen über alles, aber in meiner Familie hatte es einen besonderen Stellenwert, sogar im Vergleich zum durchschnittlichen Irooni Haushalt.

Meine Großmutter war eine religiöse Muslimin, die mit dreizehn zwangsverheiratet worden war, drei Kinder hatte (eines davon starb mit achtzehn in einem Autorennen, als sie zum ersten Mal in den USA war) und reiste stolz in exotische Gegenden der Welt – und trug dabei stets ihren Hijab, wie sie hinzuzufügen pflegte. Sie hat sogar ein Foto von sich an einem FKK-Strand, wo sie, ganz genau, ihren Hijab trägt. Von ihren Reisen brachte sie immer seltsame Früchte und einen Kopf voller neuer Rezepte mit zurück.

Ich begann mit sieben zu kochen. Meine Mutter war keine große Köchin, aber sie hatte ihre Signature Dishes, wie Dosenthunfisch mit Reis. Vom Feinsten, echt! Alle sagten immer, ich käme nach meiner Großmutter. Ich kochte liebend gern im Haus meiner Großmutter, auch wenn ich es vorzog, Gerichte zu machen, die wir als fremd und raffiniert betrachteten. Ich machte nie etwas persisches; das war Mamanis Stärke. Heute, nach viereinhalb Jahren in Berlin, könnt ihr euch vorstellen, wie sehr ich mir wünsche, es wäre auch meine…

Die deutsche Sprache ist eine Bitch. Ich war sehr excited, sie in den Monaten vor meiner großen Flucht aus der Tragödie meiner Jugend in Teheran zu lernen. Ich werde mich nicht mit den langweiligen Details aufhalten, aber ich war sehr froh, endlich einen neuen Plan zu haben. Als ich in Berlin ankam, fielen mir zwei Dinge auf, die ich nicht verstehen konnte, obwohl ich viel Übung hatte: Deutsche Kultur und was sie „Essen“ nennt. Meine Geschmacksnerven sind bereits zahlreiche Tode gestorben an Tellern, die versprachen, Essen, Geschmack und Genuss zu bieten, und kläglich daran scheiterten. Die Deutschen scheinen nicht um des Geschmacks willen zu essen. Das Obst hier sieht makellos aus. Die Supermärkte sind wunderschön und üppig. Sie führen alles, was ich je im Iran finden wollte, es liegt einfach rum: Avocados, Sushi-Zutaten, Okraschoten, Chia-Samen, unzählige französische Käsesorten. Babes, in Teheran war es damals kein Leichtes, an solche Dinge zu kommen.

Essen war immer das Wichtigste in meinem Leben. Es ist das, was mir ein Gefühl von Zuhause gibt, eine Sprache, die ich überall verstehen kann. Ich habe mich nie US-amerikanisch oder iranisch gefühlt, aber in Deutschland muss ich mich immer positionieren. Ich bin hierhergekommen, um Nationalität zu vergessen, aber ich werde unablässig daran erinnert und dazu gedrängt, sie zu erfüllen. Ich habe es versucht, aber um ehrlich zu sein: sich eine Kultur anzueignen, fühlt sich so an, wie sich an eine Unterrichtseinheit zu erinnern, die einen nie wirklich interessiert hat.

Seit ich ein Kind war, schäme ich mich für meine Herkunft, meine Hautfarbe, mein Fett, meine Körperbehaarung, meinen Akzent und meinen Namen. Diese Scham verfolgt mich bis heute, aber die Gründe für diese Scham kennenzulernen, die Struktur dieser weißgewaschenen Welt zu erkennen, Rassismus, Hass, Sexismus und Queerphobie zu verstehen, haben es mir ermöglicht, einen Mittelweg für mich als diese Zwischen-Person zu finden. Ich bin.

Und ich esse, ich schmecke, an diesem geschmacklosen Ort namens Deutschland, wo es kein Zuhause gibt und meine Zunge Zuflucht findet … bei diesem tiefgekühlten Dessert.

Und dann die Befriedigung, die sich mit dem letzten KNACK einstellt.